Etappe 12 Die Insel Rügen
- PH16

- 26. Dez. 2020
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Feb. 2021
Beim Frühstücken am Dienstag den 25.8.2020, wird mir zum ersten Mal etwas klar. In ca. einer Stunde, gehe ich die letzten Meter Festland auf meiner Tour, danach heißt es nur noch die Insel Rügen und ich. Das ist dann auch der Grund dafür, warum ich an diesem Morgen aufgeregt bin wie ein kleiner Junge. Am Vorabend habe ich nach meinem kleinen Kneipengang sogar schon alles sorgfältig zusammengepackt. Wieder im Hotelzimmer angelangt, muss ich also nur noch meine gewaschenen (wie jeden Tag) Wanderklamotten anziehen und schon geht es nach einem Tag Pause zurück auf die Piste!

(Rügendammbrücke)
Ich laufe quer durch Stralsund in Richtung Rügendammbrücke, denn die riesige Rügenbrücke, hat leider keinen Fußgängerweg und ist nur für Kraftfahrzeuge passierbar. Also laufe ich auf der kleineren der beiden Brücken rüber nach Rügen. Es hat auch etwas positives, denn mit der neuen, großen Brücke im Vordergrund, habe ich ein noch besseres Motiv, beim fotografieren der Stadt Stralsund. Eine wirklich schöne Stadt, in der ich gerne noch ein wenig länger geblieben wäre, aber was erzähle ich hier, denn jetzt beginnt das nächste Abenteuer- Rügen!

(Rügenbrücke und Stralsund)
Der Weg vom Festland über die alte Brücke zur Insel, zieht sich ganz schön hin, aber das Wetter könnte nicht besser sein und ich habe beste Laune. Meine Route führt mich heute weitestgehend entlang der alten L296. Erst an Altefähr vorbei, anschließend durch Rambin und Samtens, wo ich dann weite Umwege rund um die Hauptverkehrsadern laufen muss, weil sich irgendein toller Verkehrsplaner gedacht hat, "werde ich den Geh- und Fahrradweg doch nur bis Samtens bauen und nicht gleich durchgängig von Stralsund bis nach Bergen, der Hauptstadt Rügens". Tolle Idee, wär ja auch langweilig, wenn man den schnellsten und kürzesten Weg nehmen könnte! Aber ich schweife ab, immerhin hab ich mich dazu entschieden, über 400km von Berlin bis nach Lohme zu laufen, da machen ein paar Kilometer Umweg den Kohl auch nicht mehr Fett.

(Ein gefühlt ewig langer Fußmarsch zwischen dem Festland und der Insel Rügen)
Wie schon auf Usedom, zelebriere ich die letzten Schritte rüber nach Rügen. Wieder mal lasse ich mir kurz die Fakten meiner bisherigen Reise durch den Kopf gehen. Insel Nummer 3 ist erreicht. Jetzt sind es allerdings nur noch 3 Tage bis zu meinem Ziel.
Beim Umdrehen wird Stralsund schon immer kleiner, und auf der Insel, ragen bald nur noch die Kirchtürme und die große Brücke am Horizont hervor.
Durch die neu ausgebaute B96 auf Rügen, ist es am Weg der L296 ziemlich ruhig und entspannt, ich kann mich ganz und gar auf die Natur und die Aussicht konzentrieren. Rambin ist schnell erreicht und auch der Weg Richtung Samtens, ist nicht viel spektakulärer, aber sehr langatmig. Viel gerade aus und kaum Schutz vor der prallen Sonne. Aber hätte ich gewusst, was in den nächsten Tagen folgt, ich hätte die Sonne definitiv mehr wertgeschätzt. In Samtens angekommen muss ich eine Pause an einem Getränkemarkt einlegen.
Eine kleine Brause und ein alkoholfreies Hefeweizen später, um meine Nährstoffe aufzufüllen, merke ich allerdings schon, dass heute irgendetwas anders ist. Meine Leistungsfähigkeit ist zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr so vorhanden, wie ich das von mir selber gewohnt bin. Und deshalb merke: ,,ein, zwei Bier, das lob ich mir. Aber fünf, sechs, sieben, acht, da hast du auf einer Wandertour was falsch gemacht". Ist zwar eine Eigeninterpretation von mir, aber sie trifft den Nagel auf den Kopf! Der Abend in Greifswald und selbst der kurze Kneipenaufenthalt gestern Abend, rächen sich nun. Aber wer saufen kann, kann auch arbeiten.
Und so beginnt mein nerviger, aber auch sehr schöner Umweg in Richtung Westen. Erst geht es an einer Landstraße entlang, bis ich auf eine schöne kleine Straße mit tollem Ausblick abbiege. Hier geht es entlang von frisch geernteten Feldern und vereinzelten Bäumen vorbei, hin zu einem urigen Bauernhof. Der kleine landwirtschaftliche Weg dem ich folge, geht einmal quer über eben jenen Hof. Als mich der Bauer verdutzt anstarrt, winke ich ihm ganz selbstverständlich und selbstbewusst zu, so als ob ich hier jeden zweiten Tag vorbeikomme. Er winkt freundlich zurück und ich bin mir zu 100% sicher, dass wenn ich mich mit ihm unterhalten hätte, wieder so ein einzigartiges Gespräch entstanden wäre, wie schon einige Male auf meiner Reise. Aber ich will ihm auch nicht auf den Sack gehen und 15-16km Laufstrecke, habe ich ja auch noch vor mir. Nächstes Mal dann!
Kurz hinter dem Hof, sehe und höre ich dann in relativ häufiger Taktung Flugzeuge über mich hinweg fliegen. Das heißt dann wohl, dass ich von meinem nächsten Ziel auf der Etappe nicht mehr weit entfernt sein kann. Und so ist es, nach ca. 30 Minuten erreiche ich, nachdem in nördlicher Richtung abbiege, den Flughafen von Rügen in Dreschvitz. Ich mache kurz Pause und beobachte 3-4 Maschinen, beim Starten und Landen, bevor es weiter geht.

(Flughafen für Kleinstflugzeuge in Dreschvitz)
Seit Samtens quält mich jetzt schon ein Problem, das sich nun endlich im Waldstück hinter dem Flughafen erledigen sollte. Ich will darauf nicht weiter eingehen, aber ein weiterer unverzichtbarer Tipp auf einer Wanderung wie dieser, nehmt unbedingt Toilettenpapier mit, es rettet im Notfall Leben!
2-3km nördlich, kreuze ich dann wieder die L296. Aber leider, fehlt ja auch hier der vorhin beschriebene Geh- und Fahrradweg, so das ich jetzt die Straße in Richtung Osten umgehen muss... Nervig! Es geht also am Bahnhof Teschenhagen vorbei, in eine kleine Einfamilienhaus-Siedlung. Laut meiner selbst erstellten Route, spare ich mir eine Menge Kilometer, indem ich, hinter einem dieser Häuser, übers Feld gehe und mich durch den Wald dahinter, zu einem ausgebauten Forstweg durchschlage. Ein Mann ein Wort, gehe ich also sehr zögernd, in diese kleine und sehr noble Einfamilienhaus-Siedlung.
Schnell durch einen Garten gegaunert, stehe ich dann auf dem beschriebenen Feld und versuche auch das schnellstens zu überwinden. Allerdings gelingt mir das nicht in der von mir gewünschten Agilität, denn meine Füße machen mir heute äußerst zu schaffen und auch meine Muskeln sind nah an der Belastungsgrenze. Ich schleppe mich also über das Feld und stehe bald im Wald, na klar, mal wieder vor einem Zaun, ähnlichen Bautyps wie der, damals bei Lychen. Auch diesen gilt es wieder, auf Kosten von noch mehr Umweg, zu umlaufen. Glücklicherweise nicht so lange wie befürchtet, aber doch weit genug, um wieder schlammige und mückenreiche Gräben miterleben zu müssen.
Am Ende des Waldes, der wirklich satt grün und sehr gesund wirkt, finde ich dann zu meinem Glück endlich einen Hochstand, in den ich mich legen kann und meine Füße hochlege. Wenige Kilometer entfernt sehe und höre ich die Bundesstraße. Ich würde jetzt so einiges dafür geben, um mich von einem dieser Autos, die letzten Kilometer bis nach Bergen fahren zu lassen. Ich mache 45 Minuten Pause, in denen meine Füße allerdings nicht von ihrem Plan abweichen wollen, durchgängig zu schmerzen und Probleme zu machen. Aber immerhin ist es nicht mehr die Blase am rechten Fuß die schmerzt, das Aufstechen in Stralsund war wirklich richtig und gut. Unter den Blasenpflastern, macht sie nun keinerlei Ärger mehr.
Laut meiner Route sind es jetzt noch 4-5 km, bis zu meinem Hotel "Gemeinschaftshaus Rügen". Eine Topadresse wie sich später raustellen sollte. Ich rappel mich also auf, für das letzte Gefecht des Tages.
Es geht über überraschend viele Hügel, an Feldern und Kuhweiden vorbei, immer parallel zur beruhigend, in der Ferne rauschenden Bundesstraße. Bald sehe ich die ersten Häuser, Straßen und tatsächlich auch mal wieder Menschen, was mir signalisiert, dass ich es endlich bald geschafft habe. Bergen macht seinem Namen alle Ehre, das Stadtzentrum liegt direkt auf der höchsten Erhebung Rügens und natürlich muss ich da erstmal hoch, um zu meinem Hotel gelangen zu können. Aber wie schon erwähnt, war ich von dem Hotel sehr angetan. Entspannte kleine Zimmer, freundliche Mitarbeiter und ein tolles Preis-Leistungsverhältnis inklusive Frühstück. Im Zimmer angekommen, lege ich mich, wie so häufig, erstmal wie eine Schildkröte auf dem Boden um Kraft zu sammeln. Aus dem einzigen Grund, das ich zu geschwitzt bin, um mich auf mein frisches Bett zu legen. Nachdem ich meine Klamotten gewaschen und geduscht habe, schaffe ich es aber nur nochmal kurz, zum nicht weit entfernten Zentrum der Stadt, zum Supermarkt für 2 alkoholfreie Biere und zum Abendbrotessen beim Pizzamann. Mehr ist an diesem Abend nicht drin, außer auf dem Hotelbett rumzuliegen.
35 ganz, ganz hart erkämpfte Kilometer waren das schon wieder! Wie gesagt, ein, zwei Bierchen am Abend sind okay, für alles andere müsst ihr am nächsten Tag umso mehr auf die Zähne beißen. Wie dem auch sei, ich bin nun mitten auf Rügen. Morgen um diese Uhrzeit, sitze ich schon in Sassnitz, im Hafen und genieße einen leckeren Fischteller auf dem Restaurantschiff "Manfred"! Sassnitz wird auch wieder sehr emotional für mich, denn ich bin oft, im nicht weit entfernten Kreidewerk arbeiten und übernachte dort dementsprechend 3-4 Mal im Jahr, wenn ich nicht sowieso dort Urlaub mache. Eine wunderschöne kleine Hafenstadt, unmittelbar vor der beginnenden Kreidefelsenküste des Nationalparks Jasmund. Ein Ort, der ähnlich wie Heringsdorf und Ahlbeck auf Usedom, sinnbildlich für das Wort "Urlaub" steht! Obwohl ich nur noch 2 Etappen zu laufen habe, kommen noch so viele Dinge und Orte, auf die ich mich freuen kann, geil!
12 Tage bin ich jetzt schon unterwegs, Wahnsinn...

(Wetterausblick für die nächsten 5 Tage auf Rügen, sieht ja toll aus...)




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