Etappe 2 Wunderschönes Brandenburg
- PH16
- 5. Jan. 2021
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Jan. 2021

(Wunderschöner Weg, entlang des Werbellinkanals)
Tag 2 beginnt, das hoffe ich zumindest, denn in meinem sehr dunklen Pensionszimmer, kann ich nur anhand der Handyuhr erkennen, ob es noch Nacht oder schon Tag ist. Es ist 9:00 Uhr und ich kann zu meiner Verwunderung feststellen, dass ich mich körperlich einwandfrei fühle! Nichts zu spüren vom aufkommenden Muskelkater und den anderen kleineren Wehwehchen. Nach 28 Lebensjahren muss ich feststellen, dass 10 Stunden Schlaf und nur alkoholfreies Bier anscheinend einen positiven Effekt auf den Körper haben! Eine Erkenntnis die nach der Wanderung schnell wieder verflogen ist. Voller Elan und noch immer ungläubig angesichts meines guten körperlichen Zustandes, geht es in den Supermarkt und zum Bäcker. Zucker und Kohlenhydrate tanken für Etappe 2. Ziel ist heute das Nordende des Werbellinsee. Ich kann nur jedem empfehlen sich vor solchen Wanderungen nochmal richtig den Bauch voll zu hauen! Smoothies, Müsliriegel, Nüsse und Brötchen, bildeten bei mir die Grundlage. Wichtig: denkt vorausschauend und beschafft euch Vorräte! Lange, stadtarme Etappen, lassen es schwierig werden regelmäßig einzukaufen, noch dazu wenn es Wochenende ist. Am Ende des Tages werde ich weitere 29km gelaufen sein, ein hartes Brett!
Pünktlich um 10 Uhr, verlasse ich Lobetal in Richtung Norden (erneute Überraschung). Ich laufe eine breite Sandstraße entlang und wundere mich, warum mir hier
alles so bekannt vorkommt. Als ich dann an einem Reiterhof vorbei komme, wird mir dann auch klar warum. Auf diesem Reiterhof im absoluten Nichts, war ich das erste und einzige Mal in meinem Leben reiten. Auf einem stolzen Ross namens Oskar! Kaum zu fassen, dass ich ausgerechnet hier vorbei laufe auf meiner Tour. Ich blicke mich um, aber kein Oskar zu sehen. Nur uncoole Pferde die in der Gegend rumstehen. Also geht es weiter.
Nach 45 Minuten erreiche ich den Berlin-Usedom Radweg, dem ich dann weitere 30 Minuten folge, bevor ich wieder meinen eigenen Weg weitergehe. Über eine Brücke gespickt mit Kopfsteinpflaster, geht es über Autobahn Nummer 2, die A11.

(Blickrichtung Norden)
Ich bin voller Elan und Tatendrang, das Wetter ist überragend und ich bahne mir meinen Weg, durch einen dichten und dunklen Buchenwald. Buchenwälder hatten für mich schon immer etwas besonderes, fast schon mystisches. Selten geworden in Deutschland bieten sie eine einzigartige Schönheit und Farbe. Eine ganz besondere Stimmung macht sich in dir breit durch die langen Bäume und das kaum durchbrechende Licht von oben. Besonders im Herbst wenn der Boden voll mit Schirmpilzen und andern Pilzsorten besetzt ist. ''Diese Etappe heute könnte auch 50km gehen'', denke ich mir angesichts meiner Spritzigkeit und meines Elans. ''Ein Glück waren es keine 50km'', werde ich mir allerdings am Ende des Tages denken.
Bei Marienwerder, überquere ich dann erst den kleinen Finowkanal und wenig später den überraschend klar wirkenden Oder-Havel-Kanal. Schnell wieder ab in den Wald, denn die Hitze in der blanken Mittagssonne, schindet mächtig Eindruck! Nachdem ich auf der rechten Seite mehrere Zuchtfischteiche und links den Pechteich-See hinter mir lasse, stehe ich vor einem kleinen Fluss, der 20 Meter entfernt in einem traumhaften See mitten im Wald mündet. Unfassbar schöne Natur mitten in Brandenburg! Zu allem Überfluss führt über den Minifluss, der gefühlt Trinkwasserqualität hat, eine kleine Brücke mit einseitigem Geländer. Ich muss innehalten, dieses kleine Fleckchen Erde haut mich einfach um! Selbst die Mücken haben Respekt vor diesem Moment und lassen mich zur Abwechslung mal in Ruhe, mit den Füßen im Wasser baumelnd sauge ich den Moment auf.

(links die Brücke; rechts der Zufluss zum Grabowsee)
Schweren Herzens muss ich weiter und sehe immer wieder den verführerisch wirkenden Grabowsee rechts durch die Bäume schimmern. Fast schon am Ende des Sees, dann endlich ein Steg. Arschbombe! Dieser See hält was er verspricht! Völlig alleine, bade ich bei 30°C bestem Sonnenwetter, weil den See anscheinend einfach kein Schwein kennt. Anders kann ich mir das nicht erklären. Ganz so spontan ist der Moment allerdings nicht, da ich erstmal 5 Minuten brauche um mich von, Rucksack, Schuhen und Funktionswäsche zu befreien. Das Baden in diesem See war rückblickend betrachtet, einer der absoluten Topmomente der Wanderung.
Weitere 5 Minuten später, die ich fürs Anziehen benötige, geht es weiter Richtung Rosenbeck. Auch danach wird der Weg nicht unspektakulärer. Ich laufe den Werbellinkanal direkt auf dem Uferweg entlang, grüße immer wieder Kajakfahrer, die mir auf dem Kanal entgegenkommen und bin voll in meinem Element.

(der Werbellinkanal, Richtung Norden)
Irgendwann wechselt der Wald am Ufer, in Kleingartenanlagen und ich erreiche Eichhorst. Pause!
Ich kehre im ''Schorfheider Fischexpress'' ein und bestelle mir, na klar, einen Fischteller.
Ein sehr nettes, kleines Restaurant direkt am Wasser und geschmeckt hat es auch noch.
Langsam brennen mir wieder ganz schön die Füße, aber ein Highlight wartet noch, der Werbellinsee! Der Rest des Werbellinkanals ist relativ fix gelaufen und vor mir erscheint das Südufer des Werbellinsees.
Ich bin der Meinung, ich hab es jetzt so gut wie geschafft, da ich ja nur noch zum Nordufer muss. Weit gefehlt! Das Ding ist riesengroß! Aber immerhin auch äußerst schön, sehr empfehlenswert!
Am Ufer entlang geht dann der kürzere Weg durch den Wald. Zum Ende der Etappen werden die Pausenabstände deutlich geringer als am Anfang, den schmerzenden Füßen sei Dank. Ich will eigentlich durchziehen, aber keine Chance, zu doll schmerzen die Fußballen. So überragend der Weg auch war, bin ich mittlerweile echt genervt. Die Vorstellung, dass ich in der kommenden Nacht im Zelt auf einer Isomatte schlafen muss, verbessert die Stimmung zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt! Irgendwann ist es jedoch so weit und ich komme am Zeltplatz ''Ferienparadies am Werbellinsee'' an. Eine tolle Adresse für alle Camper! Direkt am See gelegen, mit schönen sanitären Einrichtungen und nettem Personal.

(der Werbellinsee, Südufer)
Ich baue mein Zelt auf und mache mich auf zum See. Dort angekommen, langsam zur Ruhe kommend, mit 2 alkoholfreien Radlern intus, merke ich erst, wie fertig ich bin... Mir tun die Beine weh, es bildet sich eine erste Blase am rechten Hacken und ich bin allgemein einfach knülle. Aber noch habe ich ja genug Zeit zur Erholung.
Nachdem ich baden war, geht es schon ziemlich schleppend zurück zum Campingplatz. Ich komme mit 2 Berlinern ins Gespräch, die ihr Zelt neben meinem aufgeschlagen haben und das ganze Wochenende am Werbellinsee verbringen. Zum ersten Mal von vielen Malen bekomme ich die Frage gestellt, wo ich denn eigentlich hinlaufen wolle... ''Nach Rügen...! Lohme um genau zu sein. Vorher aber noch nach Usedom und zur Greifswalder Oie.'' Und zum ersten Mal von vielen Malen werde ich mit riesigen Augen angeguckt. ''Wat von Berlin aus läufst du nach Rügen? Hast du sonst nüscht zu tun?'' Es ist nun mal ein Traum, der in den letzten Jahren mehr und mehr in mir gereift ist. Ich betone dabei oft, dass ich das nicht mache, um zu mir selber zu finden, ich komme eigentlich ziemlich gut mit mir selber klar. Es ist eine Mischung aus Abenteuer, kompletter Ruhe, Nähe zur Natur und auf sich alleine gestellt zu sein, gepaart mit vielen, vielen weiteren wichtigen Kleinigkeiten. Sie erzählen mir von Ihren Wanderungen und Erlebnissen und legen mir ein Blasenpflaster Namens ''Compeed'' ans Herz. Ein mit einer Art Gel gefülltem Blasenpflaster, in mehreren Größen und Formen. Auch ich kann jetzt sagen, auch wenn sie etwas teurer sind, holt euch die Dinger!
Nachdem mir die beiden jungen Männer auch noch ein Bier ausgeben (Nochmal Danke!), verschwinde ich nach der wahrscheinlich erholsamsten Dusche aller Zeiten, in meinem Zelt.
Merke: Zelt + Isomatte, schmerzender Körper und eine Party einiger Russen samt selbstgebranntem Schnaps auf einem Campingplatz sind keine gute Kombination zum Schlafen! Wobei ich hier erwähnen muss, dass ich nicht selber beteiligt war, sondern nur vom auftretenden Lärm gestört wurde. Ist immerhin Samstag 21:30 Uhr, diese Wilden! Ich höre in mich hinein und habe zum ersten Mal den Gedankengang, dass ich erst 2 von 14 Etappen geschafft habe... wie zur Hölle soll ich das noch die nächsten 12 Tage durchhalten... nach dem gefühlt zwanzigsten ''Nastrovje!!!'', schlafe ich dann endlich ein. Ein erholsamer Schlaf wird es allerdings nicht!
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