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Etappe 4 Der Urwald

  • Autorenbild: PH16
    PH16
  • 3. Jan. 2021
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Jan. 2021


(Breiter Luzin, Campingplatz in Feldberg, Aussicht von meinem Zelt aus)


Der Morgen des 17.8.20 beginnt traumhaft. Sonne, ein wunderschöner Blick über den Templiner Stadtsee und endlich mal Frühstück! Zum ersten Mal auf meiner Reise, komme ich in den Genuss eines Frühstücksbuffets. Welch ein Luxus, den man erst in solchen Situationen wieder zu schätzen weiß. Ich knalle mir den Bauch voll, da ich durch meine Routenänderung nicht genau weiß, wann ich das nächste Mal dazu kommen werde. Danach mache ich mich auf ins Stadtzentrum und stehe Punkt 10:00 Uhr, vor der Apotheke Am Marktplatz. Schutzbalsam in Form von Creme, für meinen gelaufenen Wolf und gefühlt der gesamte Bestand an Blasenpflaster werden eingekauft. Anschließend geht es weiter zum Drogeriemarkt. Druckstellen-Schutzkissen, Tape und noch mehr Blasenpflaster komplettieren meinen Einkauf.


Ich bin wirklich nervös, mir kommt zum ersten Mal der Gedanke, was passiert, wenn man wirklich irgendwo im Nichts, nicht mehr weiter kommt...? Du musst nur mal umknicken, der Mittelfuß gibt nach oder du kriegst einen Hitzekollaps. Leider alles realistische Gedankengänge die ich allerdings bestmöglich ausblende, da ich mich schon wieder viel zu sehr auf mein nächstes Ziel, Feldberg und den dortigen Campingplatz freue! Ein absoluter Topcampingplatz für Urlauber aus ganz Deutschland, war überall zu lesen. Das will ich heute selber herausfinden! Doch zuerst heißt es mich für die nächste Etappe zu präparieren. Ich setze mich unter eine Fußgängerbrücke aus Holz, in der Nähe des Stadtkerns (Pionierbrücke), auf einen großen Betonsockel direkt am Templiner Kanal und beginne mit einem, ab diesem Tag allmorgendlichen Ritual. Blasenpflaster aufbringen, Füße an kritischen Stellen tapen (mit Tapeband bekleben), Druckstellen-Schutzkissen in die Socken schieben und die Innenschenkel mit Schutzbalsam eincremen. Letzteres ist schwer genug denn ich hasse Creme! Aber alles ist besser als mit einem schmerzenden Wolf den ganzen Tag umherzulaufen, da sind wir uns alle einig!


(Schutzbalsam, Schutztape, Druckstellen-Schutzpflaster, Blasenpflaster)


Also ab zum Busbahnhof. Die 10 Minuten Busfahrt bis nach Lychen verlaufen unspektakulär. Die Uckermark ist eine der am dünn besiedelten Regionen Deutschlands und das merkt man hier! Tote Hose rund um Lychen, wäre noch weit untertrieben. Nichts als Felder, Kleinstraßen mit Pflastersteinen bedeckt, an deren Seiten hauptsächlich Apfel- und Birnenbäume wachsen und die berühmten, allgegenwärtigen für die Uckermark bekannten Hügel, bestimmen hier das Bild und weite Teile des Horizonts.


Ich liebe die Uckermark! Über eben jene Pflastersteinstraßen, geht es heute die meiste Zeit. Unkomfortabel zu laufen, aber wunderschön, haben diese Straßen schon fast etwas Romantisches. In Beenz, sehe ich dann endlich mal wieder ein paar Häuser und sogar eine asphaltierte Straße (L23) bevor es mal wieder in Richtung Wald geht. Dieser Wald wird allerdings anders, als all die Wälder die ich bis dahin durchlaufen hatte! Warum ich das sage? Naja es steht auf dem Schild am Waldrand, an dem ich den Wald betrete. "Dieser Wald ist anders", ist in dem Fall eine Zertifizierung der PEFC für eine besonders nachhaltige Wald-Bewirtschaftung. Was das allerdings bei Bäumen, die in meinen Augen alle nachhaltig sind, bedeutet, müsst ihr leider selber herausfinden.



Es ist jedenfalls ein ziemlich dichter und dunkler Wald, mit Anfangs noch großen, breiten Waldwegen. Ich folge meiner Route und stehe bald, trotz der Tatsache, dass ich auf einem Waldweg laufe, vor einem Zaun, an dem weder rechts noch links ein Ende in Sicht ist. Darauf bin ich nicht vorbereitet! Der Zaun ist zu instabil, um darüber hinweg zu klettern, also muss ich wohl oder übel außen herum. Jetzt befinde ich mich bald in einem völligen Urwald. Der Boden muss natürlich ausgerechnet mit Brombeer- und anderen Dornpflanzen bedeckt sein, was mit kurzen Hosen natürlich immer ein absoluter Spaß ist. Ich kämpfe mich weiter entlang des Zauns und zucke auf einmal zusammen. 20 Meter rechts von mir (ohne Spaß mehr waren es wirklich nicht), rennen mindestens 10 bis 15 riesige Hirsche und Rehe, so schnell sie können in Richtung noch tieferen Waldes. Wenn auch nur einer dieser Hirsche die gegenteilige Reaktion gezeigt hätte, ich wäre vollkommen machtlos gewesen. Krasses Schauspiel! Riesen Viecher! Wieder ein Mal auf dieser Reise, fehlen mir die Worte... Bald darauf habe ich es geschafft, dem Zaun außen herum so weit zu folgen ,dass ich wieder auf dem besagten Waldweg stehe, nur eben auf der anderen Seite des umzäunten Geländes.


Froh wieder auf der richtigen Route zu sein, bemerke ich bald einen ziemlich prägnanten Geruch in der Nase, den ich sonst nur aus dem Tierpark kenne. Zusammen mit den aufgewühlten Böden, den abgeschabten Rinden der Bäume und den Schlammlöchern, ist mir dann klar, dass es sich um Wildschweingestank handelt... Das ist dann doch schon ziemlich, ziemlich unheimlich. Ich nehme mein allzeit griffbereites Taschenmesser in die Hand und gebe zu, das ich einen doch etwas schnelleren, bis doch schon sehr schnellen Fußmarsch einlege. Glücklicher Weise wird der Wald relativ schnell wieder etwas lichter und ich kann ein wenig durchatmen. Nervenaufreibend ist das passendste Wort, was mir zu dieser halben Stunde einfällt. Der Rest des Waldes ist dann wieder entspannter. Ich verlaufe mich zwar noch 2-3 Mal an einigen Stellen, komme allerdings immer wieder annähernd auf meiner Hauptroute heraus.

Nach rund 1,5h durch tiefsten Wald irren, erreiche ich dann endlich wieder eine gepflasterte kleine Straße mit Apfel- und Birnenbäumen. Puh, das hatte es in sich! Im kleinen Dorf Laeven angekommen, sind es dann noch rund 5km bis nach Feldberg und 7km bis zum Campingplatz.



Vorher komme ich noch am Dörfchen Neuhof vorbei, in dem ein Wegweiser in Richtung Wald zeigt, auf dem steht "Heilige Hallen." Solch ein epischer Name erweckt mein vollstes Interesse, doch ich habe leider keine Zeit und vor allem keine körperlichen Ressourcen mehr, um diesen Ort zu erforschen. Aber irgendwann komme ich zurück und werde mir diese "Heiligen Hallen" ansehen, auch wenn ich mir sicher bin, dass sie 10 Mal unspektakulärer sein werden, als die Bilder die ich mir im Kopf dazu ausmale.


In Feldberg wird mir dann zum ersten Mal bewusst, dass ich jetzt die 2. innerdeutsche Grenze überschritten habe. Ich befinde mich nun schon in Mecklenburg-Vorpommern! Sofort macht sich trotz meiner Erschöpfung Urlaubsstimmung breit, die am Campingplatz "Am Bauernhof" nochmal verstärkt wird. Direkt am "breiten Luzin", einem wunderschönen, klaren See, umgeben von durchgängigen Wäldern, baue ich mein Zelt auf. Wenn du jeden Tag so für dein Durchhaltevermögen belohnt wirst, dann sind mir die Strapazen vollkommen egal! Daran ändern auch meine größer werdenden Blasen überhaupt nichts. Im orange-roten Sonnenuntergang, geht es nochmal baden und anschließend wird der Sonnenuntergang, auf einem postkartentypischen Steg genossen.


Ich gönne mir ein wenig Musik, ein alkoholfreies Bier und wünsche mir bei jeder Sternschnuppe (jetzt wo der Traum in Erfüllung gegangen ist, kann ich es ja sagen), das ich diese Reise hoffentlich bestehen möge. Ich habe wirklich Glück, und sehe mitunter, wirklich große Sternschnuppen. Dieser Steg, dieser Moment, dieser tolle Campingplatz, sind einer der ersten Erinnerungen, die mir immer wieder einfallen, wenn ich zurück an diese 14 Tage denke. An diesen wunderschönen Ort, komme ich auf jeden Fall zurück!

Im Zelt angekommen, schlafe ich, trotz Isomatte, innerhalb kürzester Zeit ein. Brandenburg du warst wunderschön! Jetzt ist Mecklenburg-Vorpommern dran, mir zu zeigen wie krass es ist!

(Jeden Morgen wird das jetzt ein Ritual, bevor es mit der neuen Etappe los geht)

 
 
 

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