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Etappe 13 Endlich Ostsee

  • Autorenbild: PH16
    PH16
  • 25. Dez. 2020
  • 9 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Jan. 2021


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(Triumph! Ein Moment, für den sich die Reise bereits gelohnt hatte)


Der Morgen meiner vorletzten Etappe beginnt äußerst bewölkt. Es ist Mittwoch der 26.8.2020 und die Sonne wird bis zu meinem Zielpunkt in Lohme ein sehr seltener Gast bleiben! Ich lasse mir beim Frühstücken bewusst Zeit in der Hoffnung, dass sich das Wetter bessert, aber es wird eher schlechter als das es besser wird. Aber ich kann es ja nicht ändern. Immerhin bin ich diesmal, dank meines in Stralsund erworbenen Regencapes, auf Niesel, Dauerregen und Starkregen bestens vorbereitet. Im Laufe des Tages, sollte ich alle drei Niederschlagformen über mich ergehen lassen müssen.


Ich starte also heute in Bergen, der Hauptstadt Rügens. Von meinem Hotel aus, geht es zunächst in Richtung Norden über eine Straße Namens "Bahnwärterhaus", weiter zur B96. Wenn ich mir einen Namen für eine Straße auf Rügen ausdenken könnte, ich hätte definitiv einen anderen gewählt als "Bahnwärterhaus". An der 96 angelangt, geht es erst einmal ein ziemlich langes Stück gerade aus, unter anderem auch an der Gemeinde Ralswiek vorbei, dort wo jährlich die Störtebecker Festspiele statt finden. Genau dahinter, beginnt endlich mal wieder ein größeres, schönes Waldstück. Mein Weg geht quer durch genau diesen, hauptsächlich um mal von der lauten Bundesstraße wegzukommen.


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(schöner Mischwald bei Raswiek)


Seit der Stadt Bergen, nieselt es durchgehend. Noch nicht genug um mein Regencape ausprobieren zu müssen, aber doch schon lange genug, um die hohen Gräser auf den Waldwegen vollkommen zu durchnässen. Im Storchengang geht es weiter durch den Wald, in der Hoffnung, so meine Wanderschuhe davor zu bewahren, komplett durchgeweicht zu werden. Der Wald ist durchzogen von Hängen und Kuhlen, würde ich es nicht wissen, wäre es kaum zu glauben, das man sich mitten auf einer Insel befindet. Und überall sind wieder diese schönen Buchenwaldpassagen, die sich hier mit allen möglichen Waldarten abwechseln.


Wieder an der Bundestraße angelangt, muss ich dann doch das Unmögliche wagen!...

Ich hole mein Regencape aus meinem Rucksack, denn der Regen wird stärker.

Über mich selber lachend, stülpe ich mir dieses grauenhaft aussehende Kunststoffstück über meinen Körper. Aber es hält, was es verspricht, meine Klamotten bleiben komplett trocken.


Ich bin jetzt kurz vor Lietzow, dem Ort, an dem der kleine- auf den großen Jasmunder Bodden trifft, getrennt nur von einem rund 50m breiten Landstreifen, auf dem die Bundesstraße verläuft. Normalerweise ein Ort zum Innehalten und genießen. Aber ich bin zu sehr damit beschäftigt, über mich selber und über die Autofahrer zu lachen, die mich in meinem Gewand verdutzt ansehen, während sie genüsslich vorbeifahren. Ich kann das allerdings verstehen. Allein schon das bei diesem Wetter einer draußen rumläuft... Nein, da hat der auch noch so einen Oma-Müllbeutel an.


Ich jedenfalls, habe zu diesem Zeitpunkt sehr viel Spaß und sehe, dass die Autofahrer auch Spaß haben. Und so stapfe weiter durch den Regen.

In Lietzow mache ich dann Pause in einer kleinen traditionellen Räucherei, am Ufer des kleinen Jasmunder Boddens. Hier lasse ich dann auch ein Beweisfoto von mir schießen, und merke dabei, das ich von den Leuten eher angelacht als ausgelacht werde, ich bin Gesprächsthema Nummer 1 bei den wenigen Gästen.


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(Fischräucherei Räucherhus in Lietzow und ein beschissen gekleideter, aber trockener Wanderer)


Nach einem sehr guten Bismarckbrötchen geht es weiter in Richtung Osten zum kleinen Jasmunder Bodden. Ich folge nun einem Wanderweg, der erst unten am Seeufer verläuft, bevor es hoch auf einen Kamm geht, mit einem tollen Blick auf das große Gewässer. Hier ist es wirklich schade, dass das Wetter an diesem Tag so beschissen ist. Während ich so auf dem Kamm immer weiter in Richtung Mukran laufe, wird mir wirklich zum ersten Mal auf meiner Reise bewusst, das ich gleich vor der Ostsee stehe! Also ich meine durch meine eigene Muskelkraft. Denn bei der Fahrt mit der "MS Seeadler" zur Greifswalder Oie, war ich ja bereits auf der Ostsee und auf der Oie dann auch an der Ostsee, aber eben nicht durch meine eigene Kraft, sondern durch den Schiffsmotor, und das zählt nicht!


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(Blick vom Kamm, durch die Bäume, auf den kleinen Jasmunder Bodden)


Ich frage mich nun also, was dieser Moment mit mir macht, wenn ich zum ersten Mal unten am Strand stehe und die Wellen auf mich zukommen sehe, das Meer dabei im Hintergrund rauschend. Abwarten heißt es.

Mittlerweile ebbt der Regen etwas ab, so das ich das Cape erstmal wieder abnehmen kann. Immer wieder sind quer durch die Baumkronen tolle Blicke auf den Bodden zu erhaschen. Ganz hinten am Horizont sieht es beinahe so aus, als würden das linke- und das rechte Ufer eine Art Tor bilden, durch das man zu einem geheimnisvollen Ort gelangen könnte. Klingt ein bisschen kitschig, aber so war meine Stimmung. Durch das ständige Alleinsein, neue Abenteuer und Wege ausprobieren, hatte man öfter einen leichten Hang zur Träumerei und Fantasie. Auch das Schmuddelwetter konnte daran nichts ändern.


Auf Höhe des Dorfes Staphel, geht es dann an den Feuersteinfeldern vorbei. Ab hier kenne ich den Weg weiter runter zum Strand auswendig. An der L29, auf der ich schon sehr oft mit meinen Eltern und auch selber langefahren bin, weiß ich dann, dass es nur noch ein paar Meter bis zum Strand sind. Ich kann es wirklich kaum noch erwarten! Dann wird das Rauschen der Autos auf der Straße hinter mir, immer leiser und das Rauschen des Meeres, das man durch das kleine Waldstück vor mir hört, immer lauter. Kurz darauf sehe ich sie dann... die Ostsee! Ich laufe etwas überfordert durch den Sand des Strandes und sinke kurz vor den angespülten Wellen auf die Knie... Diesen Moment muss ich erstmal sacken lassen.


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(am 13. Tag der Tour, stehe ich zum ersten Mal vor der Ostsee, Wahnsinn!)


Ich lasse lautlos einen weiten Blick von links, dem Hafen Mukrans, über die Ostsee in der Mitte wandern, bis ganz nach rechts Richtung Prora und dem dahinter liegenden Strandstück vor dem Seebad Binz. Das ist die Ostsee! Nicht der Peenestrom vor Usedom, der Greifswalder Bodden in Lubmin und auch nicht der Strelasund vor der Insel Rügen. Das ist die Ostsee. Ihr könnt euch denken, das mir die eine oder andere Träne der Freude, des Glückes und vor allem des Stolzes, nun das Gesicht herunter kullern. Wow! Ich versuche den Moment mit Fotos festzuhalten, aber viel wichtiger ist, dass ich ihn ganz tief in meinem Kopf eingespeichert habe, zusammen mit all den Emotionen, die mir in diesem Augenblick durch den Körper gingen! Dann schreie ich in Richtung Meer meine Emotionen heraus und feiere mich selber.

Das hast du gut gemacht Paul, wirklich gar nicht übel! Eine halbe Stunde verweile ich hier, und lausche dem Meer und seiner Geräusche.


Ich hätte dort ewig sitzen bleiben können, alleine, im feuchten Sand. Aber die Zeit war nun gekommen, weiterzuziehen nach Sassnitz, mit der Ostsee jetzt immer an meiner Seite.


Auf dem Weg vom Strand, zum großen Hafen Mukrans, setzt dann, ein den gesamten Resttag andauernder Dauerregen ein (was ja Sinn macht). Der Hafen in Mukran, der auch als Fährhafen Sassnitz bezeichnet wird, ist ein schon seit tiefster DDR-Zeiten bestehender Großhafen, über den sich viele Gerüchte und Legenden halten. Heutzutage fast nur noch für die Fährfahrten mit Auto und Zug gedacht, war er früher ein sehr wichtiger Umspannort für Truppen und Gerätschaften der Sowjetunion, zu Zeiten des kalten Krieges. Selbst Atombomben sollen zu früherer Zeit, hier transportiert worden sein.

Eine Autobrücke, die ich überqueren muss, bietet einen hervorragenden Überblick über das große Gelände. Der Hafen hat viel von seiner alten Wichtigkeit eingebüßt, aber beeindruckend ist er dennoch allemal.


Für mich geht es nach dem Hafengelände, auf Höhe Dubnitz, rechts ab von der 96, in Richtung Alt Mukran und der dahinter liegenden Küste. Laut Google Earth und meiner vorherigen Recherche, gibt es dort einen Weg, oberhalb der dort verlaufenden Steilküste. Als ich allerdings an einer Kleingartensiedlung direkt oberhalb der Küste ankomme, stelle ich fest, dass dort kein öffentlicher Weg zu finden ist (nur ein Privatweg eines Bauern). Allerdings kommt der Weg zurück, bis vor zur Bundesstraße, nicht in Frage. Zu weit war die Strecke, entlang der Felder und des Dorfes Neu Mukran, um jetzt wieder, bei diesem Wetter, umzukehren. Also ignoriere ich die Schilder auf denen steht, dass es sich um einen privaten Weg handelt und folge weiter meiner selbstgewählten Route. Ich laufe dabei wieder mal ziemlich hastig, in der Hoffnung keinem stinke sauren Landwirt zu begegnen.


Nach ca. 500m stehe ich dann allerdings vor einem verschlossenen Tor. Mit meinen Wanderklamotten und vor allem meinem Regencape, ist an ein Erklimmen des Tores nicht zu denken, ich brauche eine andere Lösung. Diese tut sich mir auf, als ich sehe, dass der Zaun links von mir an einigen Stellen schon zerstört wurde. Ich denke das ist ein Indiz dafür, dass ich nicht der einzige Wanderer bin, der hier versucht hat, auf eigene Faust durchzukommen. Ich gehe also durch den fehlenden Zaun und bin wieder auf einem offenen Feld, mit hohem, sehr nassen Gras.


Dieses Mal gelingt es mir nicht, meine Schuhe vor dem Durchnässen zu schützen. Irgendwann sind meine Schuhe, trotz Imprägnierter Außenschicht, komplett durch. Ich bahne mir nun meinen Weg entlang des Zaunes, weiter in Richtung Sassnitz. Nach 1-2 Kilometern ist dann endlich der Zaun zu Ende und auf einmal, beginnt wieder ein öffentlicher Weg, inklusive Wegweiser und Infotafeln zum Thema Steilküste. Das versteh wer will, aber ich und meine nassen Füße verstehen das zu diesem Zeitpunkt absolut nicht! Auf der Habenseite steht jetzt allerdings, dass ich wenigstens wieder einen ordentlichen Weg habe, wodurch meine innere Anspannung wieder etwas nachlässt und ich die Tour wieder mehr genießen kann. Vom Meer unterhalb der Steilküste, sehe ich allerdings nur selten etwas, da mir viele Bäume und die Distanz zur Kante, die Sicht auf das Wasser erschweren. Dennoch kann ich die Ostsee, trotz des anhaltenden Regens, durchgängig hören.


Nachdem ich dann auf der linken Seite einen Golfplatz hinter mir lasse, komme ich ein kleines Waldstück mit vielen großen Steinen, die in einem Muster, auf dem Boden aufgereiht wurden. Es handelt sich hierbei um das Fürstengrab, Großdolmen von Dwasieden. Angeblich soll dieses Grab ca. 3000 v. Chr. entstanden sein. Das muss man sich mal überlegen, dass ist 5000 Jahre her! Dafür ist es wirklich noch ziemlich gut erhalten und ein interessanter Anblick, den man wirklich nicht alle Tage sieht.

Mein Weg führt mich jetzt weiter, in ein mitunter sehr dunkles und dichtes Waldstück. Kurz vor dem Ortseingang Sassnitz', komme ich dann an einer Kriegsgräberstätte des 2. Weltkrieges vorbei. Durch den dunklen Wald und der Tatsache, dass ich auch hier komplett alleine bin, herrscht hier eine ganz besondere Stimmung der Ruhe.

„Halte inne Wanderer, ziehe deinen Hut, und gedenke still den Opfern des Krieges.“ Und das tue ich. Ich war schon auf vielen Kriegsgräberstätten, und bin jedes Mal aufs neue ergriffen und beeindruckt, von der Atmosphäre, die auf solchen zu spüren ist. Erst ein paar hundert Meter entfernt, setze ich mein Basecap wieder auf.


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(Panoramablick vom Hafen in Sassnitz)


Bald darauf, nachdem ich einen Fußballplatz hinter mir lasse, befinde ich mich in Sassnitz. Durch mehrere kleine Wohngebiete, geht es zur Hauptstraße. Dieser Folge ich einmal durch den gesamten Ort. Vorbei an der großen neuen Brücke die runter zum Hafen führt und auch am Rügenhotel, das einem den Eindruck vermittelt, als wenn man sich noch im Jahr 1970 befindet. Ein wirklich hässlicher Plattenbau, mitten in dieser schönen Hafenstadt.

Mein Ziel ist eine Ferienwohnung in Richtung Altstadt, Namens Kurblick. Eine ganze Ferienwohnung für mich alleine, und das auch nur für eine Nacht. Im Vorfeld war ich sehr überrascht darüber, dass sie meine Buchung bestätigten.

Während der immer noch andauernden Hauptsaison, spare ich dadurch im Vergleich zu den übrigen Hotels im Umkreis Sassnitz, eine Menge Geld und das, trotz des mich dort erwartenden Komforts. Zwei Bäder, ein großes Schlafzimmer + Ankleidezimmer, ein schönes Wohnzimmer mit Meerblick, gehören ebenso dazu, wie eine Küche und sogar eine Sauna, die ich hätte in Anspruch nehmen können. Da kannste nix falsch machen!


Im Dauerregen von Sassnitz, komme ich dann schließlich, wieder mal ziemlich knülle, an der Ferienwohnung an. Jetzt heißt es erstmal heiß duschen, und zwar sehr, sehr lange. Während ich mich erhole, macht der Regen keine Anstalten aufzuhören. Glücklicherweise befindet sich in der Ferienwohnung auch ein großer Regenschirm, die haben hier wirklich an alles gedacht! Nachdem ich wieder Kraft getankt habe, geht es runter in den Hafen, mein Ziel ist jetzt, das Restaurantschiff "MS Manfred", um Abendbrot zu essen. Jedes Mal wenn ich hier bin, wird dort gegessen. Es ist wirklich schon eine Tradition, egal ob ich arbeitsbedingt im Kreidewerk nebenan bin, oder zum Urlaub machen und erholen, essen auf der Manfred muss sein. Mein Vater sagte mir im Vorfeld, dass wenn ich dort essen gehe, er mir den Abend dort spendiere. Ich bleibe allerdings bescheiden und lasse mir lediglich ein Seehechtfilet und ein alkoholfreies Hefeweizen schmecken.


Anschließend schlendere ich noch eine Runde durch den Hafen und beobachte zu meiner Freude, dass der Himmel wenigstens jetzt ein bisschen auflockert. Die Sonne zeigt sich zwar nicht mehr, allerdings ist es dennoch ein beachtlicher Sonnenuntergang, den ich auf der Fußgängerbrücke, oberhalb des Hafens genießen kann. Durch die klare Luft nach dem Regen, habe ich einen tollen Blick auf Prora, Binz und Sellin. Und auch weit hinten am Horizont, ist wieder die Greifswalder Oie mit ihrem Leuchtturm zu erkennen. Urlaubsfeeling pur!


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(Sonnenuntergang von der Fußgängerbrücke oberhalb des Hafens)


Ich mache noch eine weitere Runde durch Sassnitz, bevor es wieder zurück zu meiner Unterkunft geht. Wieder dort angekommen, habe ich wieder einmal viele Eindrücke und Emotionen zu verarbeiten, während ich verzweifelt versuche, meine Wanderstiefel durch die Heizung und durch föhnen zu trocknen.

Noch eine Etappe... nur noch ein letzter Schritt, bis zu meinem Ziel. So groß die Freude auch ist, morgen Abend hat das Laufen ein Ende und das ist verdammt Traurig. Morgens aufstehen, frühstücken, 30km durch verschiedenste Regionen kämpfen, Natur und Landschaften erforschen, Abends den Ort erkunden, schön Abendbrot essen, fühlt sich mittlerweile so routiniert an, dass die letzten Tage und beinahe 2 Wochen, nahezu verflogen sind, obwohl sie so intensiv und so anstrengend waren. Und weil ich mir denke, dass ich all das noch so lange wie möglich genießen muss, inklusive der letzten Etappe und der 3 Tage Urlaub in Lohme, gehe ich nochmal los zu einem Supermarkt und hole mir ungesunde Leckereien, um vor dem Fernseher den Abend ausklingen zu lassen. Als ich wieder zurück bin und schlemme, habe ich während ich mir Oreo-Kekse und Oliven gefüllt mit Frischkäse reinballere, einen tollen Blick auf die Ostsee und den alles überstrahlenden Leuchtturm, der Greifswalder Oie.


Morgen folgt dann ein etwa 15km langes Auslaufen durch den Nationalpark Jasmund, immer entlang der Kreidefelsen, so ist zumindest der Plan. In der Theorie wieder mal sehr einfach, aber der Regen hatte zu meiner Überraschung, immer noch nicht seinen Höhepunkt erreicht! Aber dazu mehr bei Etappe 14.



 
 
 

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