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Etappe 14 Das Finale, Nationalpark Jasmund

  • Autorenbild: PH16
    PH16
  • 24. Dez. 2020
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Jan. 2021

Donnerstag der 27.8.2020. Tag 14, der finale Tag, die letzten Kilometer meiner Reise. Das Wetter ist auch an diesem Morgen wieder äußerst bescheiden. Trübes, ekliges Nieselwetter, lässt keinen weiten Blick auf die Ostsee zu. Ich frühstücke erstmal in Ruhe, wobei mich den ganzen Vormittag verschiedenste Gefühle und Emotionen beschäftigen. Ich bin stolz wie Bolle über das Erreichte, aber auch traurig, das Heute meine Reise enden wird. Nachdem ich satt bin und all meine Rapeiken zusammengepackt habe, ziehe ich mir ein letztes Mal, meine immer gleiche Wanderbekleidung an. Ein letztes Mal tape ich meine Blasen und creme mich an empfindlichen Stellen ein. Ein letztes Mal, ziehe ich mir, meine immer noch nassen Wanderstiefel an. Es wird Zeit für die letzten Kilometer, meiner bis ins kleinste Detail, geplanten Tour. Bald sind all die Wehwehchen, Anstrengungen und Glücksmomente, Geschichte. 14 Tage Kampf werden heute belohnt werden, indem ich in Lohme ankomme!


Die Etappe heute ist die kleinste auf meiner Tour, sie sollte eine reine Genießerwanderung durch den traumhaften Nationalpark Jasmund werden. Der Nationalpark Jasmund, ist bekannt für seine unberührten Buchenwälder, die spektakulären Kreidefelsen und das türkise Ostseewasser. Ein schöneres Hintergrundbild für euren Desktop, werdet ihr in Deutschland kaum finden. Allerdings wirken all diese charakteristischen Merkmale, nicht annähernd so beeindruckend wie sonst, wenn es regnet und alles grau ist. Richtig ärgerliches Scheißwetter. In der Hoffnung, dass sich das Wetter im Laufe des Tages noch bessert, verlasse ich meine schöne Ferienwohnung, in Richtung Norden. Am Ortsausgang angekommen, beginnt direkt der Nationalpark, mit seinem hohen Buchenwald. Hier betrete ich dann den Wanderweg, der mich oberhalb der Kreidefelsen und der Steilküste, erst zu den Wissower Klinken führt, dann weiter zum Königsstuhl und später dann nach Lohme. Ein Muss für jeden Wanderer der Rügen besucht!


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(Traumhafter Blick auf die Kreidefelsen)


Anfangs brauche ich im dichten Wald, noch nicht mal mein Regencape überzuwerfen, die Baumkronen der Buchen, lassen kaum Wasser hinunter zum Waldboden. Immer wieder, eröffnen sich einem traumhafte Panoramablicke zwischen den Bäumen, auf die Kreidefelsen und die Küste, bis weit hinunter zum Meer. Wie weiße Wände mit grünem Überwuchs, ragen die Felsen aus reiner Kreide, hier aus der Ostsee und gestalten eine Landschaft, die sich für immer ins Gehirn einbrennt! Dieser Anblick lässt einen nicht mehr los!

Langsam lockert das Wetter etwas auf, und die hellen Lichtstrahlen, die von der Seeseite in den Wald scheinen, lassen die dünnen, langen Buchenstämme, fast schon schwarz wirken. Zusammen mit dem satten grün der Blätter, entsteht so ein tolles Farbenspiel.


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(Tolles Farbenspiel im Buchenwald des Nationalparks Jasmund)


Immer wieder kommt man der Kante der Kreidefelsen gefährlich nahe, und oft folgt man einem Umweg, da auf manchen Vorsprüngen, akute Abbruchgefahr besteht. Gerade bei Bedingungen wie heute, bei denen die Kreide durch den tagelangen Regen, komplett mit Wasser durchzogen wurde. Immer wieder brechen hier hunderte Tonnen von Kreide ins Meer, welche die Küstenlinie ständig in Bewegung halten. Stürme, Feuchtigkeit und Frost, sind nur ein paar, der vielen natürlichen Feinde der Kreidefelsen und so kommt es auch, dass man beim Touristenpanorama "Wissower Klinken", die "Wissower Klinken" mittlerweile vergeblich sucht. Im Februar 2005, stürzten sie in die Ostsee und ließen nichts übrig, das noch an sie erinnert.


Immer wieder bleibe ich stehen und genieße den Ausblick an den vielen Aussichtspunkten, wohl dem Wissen, dass von weit entfernt auf der Ostsee, dicke, fette Regenwolken in Richtung Jasmund ziehen. Langsam wird es immer dunkler und dunkler.


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(Die Kreidefelsen vom Ufer aus)


Eine halbe Stunde Fußweg vom Nationalparkzentrum und dem Königsstuhl entfernt fängt es dann wieder an zu regnen. Ich suche Schutz unter einer riesigen Buche, einer wirklich wirklich riesigen Buche am Wegesrand. Ich setze mein Regencape auf, hole mir ein belegtes Brötchen aus dem Rucksack und warte ab, bis der Regen nachlässt. So ist zumindest mein Plan...

Nach 10 Minuten Wartezeit, stelle ich allerdings fest, das der Himmel immer noch dunkler wird und der Regen immer stärker und stärker. Selbst durch die bis zum Boden reichenden Baumkrone meiner "Schutzbuche", gelangen jetzt dicke Regentropfen, ich muss weiter. Der Regen ist mittlerweile so stark, als würde man direkt unter einer Dusche stehen! beim Weiterlaufen, kommen mir entlang des Weges bergauf, nun reißende, kreideweiße Bäche entgegen. So einen Regen habe ich selten erlebt!


Während ich mir meinen Weg durch den gefühlt schlimmsten Regensturz der Geschichte Rügens kämpfe, finde ich die Situation wieder mal recht witzig und eher aufregend als alles andere, denn ändern kann ich es jetzt eh nicht mehr. Auch meine Stiefel sind mittlerweile komplett durchnässt und nun mehr weiß, statt braun. Selbst die Ostsee ist von hier oben nicht mehr zu erkennen, solch ein Regenschleier liegt über der Kreideküste. Und so stapfe ich durch die Wassermassen, bis ich irgendwann als ein einziger großer Regentropfen, an der Aussichtsplattform des Königsstuhls ankomme.


Leider kann ich von der ganzen Regenaktion kein Foto machen, da mein Handy rausholen, einem Wurf in eine gefüllte Badewanne gleichgekommen wäre. So nass wie ich bin, würden die mich auch nicht ins Nationalparkzentrum rein lassen, also suche ich wie ein bedröppelter Pudel Schutz in einer Bushaltestelle vor dem mittlerweile ausklingenden Regen. Dort stehe ich auch erstmal eine Weile sinnlos rum, bis es zumindest nur noch nieselt und ich weiter meines Weges ziehe. Die Ostsee im Küstenbereich, ist nun nicht mehr türkis, sondern Milchweiß, durch die ins Meer gespülte Kreide.

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(das Wasser der Ostsee ist nach dem Regen weiß/braun)


Ich blicke auf meine Route, 5km noch bis Lohme. die letzten 5km Weg... von über 400km! Ich wähle einen Pfad durch den Wald, vorbei am Herthasee und den Ruinen einer alten Slawenburg. Der Waldboden besteht nach dem Unwetter nur noch aus einer einzigen Pfütze und Schlamm. Allerdings nichts, das meine mittlerweile weißen Wanderstiefel jetzt noch überraschen könnte. Langsam lässt auch das Nieseln nach und wandelt sich ziemlich schnell, in einen völlig überraschenden Sonne-Wolkenmix. Die restlichen Waldwege sind nun Genuss pur! Beim Verlassen des letzten Waldstückes auf meiner Tour höre ich nochmal genau in den Wald hinein. Das Blätterrauschen im Wind, das dauernde Gemecker der Krähen beim Betreten Ihres Reviers, das laute Summen irgendwelcher Rieseninsekten, die wie kleine Helikopter durch die Gegend fliegen. Ich sauge nochmal alles auf und applaudiere mir selber, als ich den Wald verlasse und nun vor einem Golfplatz stehe, hinter dem ich weit weit entfernt schon das Kap Arkona erkennen kann!

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(Golfplatz bei Lohme)


Ich gehe nun wieder vor zur Küste, ich will auf den letzten Metern das Meeresrauschen hören! 2km laufe ich dort entlang und achte weniger auf die Stecke, sondern denke an das Erlebte, während meiner Wanderung. Ich habe die Sommerhitze Brandenburgs überstanden, die vielen Hügel der Uckermark erklommen und konnte mich an den zahlreichen Seen der Feldberger Seenlandschaft erfreuen. Ich kämpfte mich durch die Einöde zwischen Neubrandenburg und Friedland, habe mich nach Usedom geschleppt, um dann mit der "MS Seeadler" zur Greifswalder Oie zu düsen. Ich habe in einem Fass geschlafen und habe auf einem Bauernhof ein Holztor geschrottet, um am selben Abend Greifswald leer zu trinken. Ich bin in Stralsund auf die Insel Rügen gewandert, habe das Ekelwetter der Insel Rügen gemeistert und wurde die gesamte Wanderung

mit einzigartiger Natur und tollen Menschen belohnt! "Der Weg ist das Ziel" ist ein Spruch, den ich gerne benutze und häufig treffend finde. Selten war er passender als jetzt. Mit hochgerissenen Armen komme ich in Lohme an. Ungläubig laufe ich durch den Ort und durch die Straßen bis vor zum Panorama über dem Hafen. Ziel erreicht! Lohme auf Rügen, Check!


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(Geschafft!!!!)


Glücklich und überwältigt von meinen Gefühlen, setze ich mich hin und genieße den Moment und den Ausblick, über den Hafen und die Bucht, bis hinter zum Kap Arkona und seinem Leuchtturm. Das ist mein Augenblick und den kann mir keiner nehmen, nie wieder, ein Leben lang! Besonders stolz bin ich auch darauf, dass bis auf den Skandal mit dem zurückgeschickten Zelt, meine Planung und Organisation genau wie gewünscht vonstatten ging. Von der selbst erstellten Route, zur Buchung der Unterkünfte, bis hin zu den Anpassungen auf die vor Ort aufkommenden Gegebenheiten. Das nicht Alles perfekt passt und das ich das ein oder andere Wehwechen mitgeschleppt habe, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. Verhindern können hätte ich sie allerdings auch nicht.


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(Blick über den Hafen von Lohme, Am Horizont erkennt man das Kap Arkona)


Eine Stunde sitze ich dort oben und präge mir jedes noch so kleine Detail meines Blickes ein. Einen schöneren Zielort hätte ich mir kaum suchen können.

Nun wird es Zeit, mein Hotel für die nächsten drei Tage zu beziehen. Um zum Hotel Nordwind zu gelangen muss ich wieder zum Ortseingang des verschlafenen kleinen Kurortes. Ich komme an einem netten, kleinen Hotel, mit freundlichen Mitarbeitern an, beziehe mein schönes Zimmer und habe mir nach der Regenetappe, die warme Dusche mal wieder redlich verdient. Danach gehe ich wieder zurück in den Ort, und begebe mich die steile Straße hinunter zum Hafen. Noch immer kann ich das Erreichte noch nicht fassen und verstehen. Dass wird sich auch den Rest des Urlaubes nicht ändern, und mir erst so richtig bewusst werden, wenn ich zurück in Berlin bin und meinen Freunden und Familie davon erzähle. Denn Ihre Reaktion ist es, die mich richtig begreifen lässt, was ich geschafft habe und wie stolz auch sie mit mir zusammen, auf diese Leistung und das Erreichen meines Zieles sind.


Unten am Hafen und dem kaum länger als 10m langen Strandabschnittes im Hafenbereich angekommen kann ich dann auch endlich meine Wechselschuhe ausziehen und meine Füße in die kalte Ostsee stellen. Man habe ich mir mein Bierchen heute Abend verdient!


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(Der Hafen von Lohme)


Zur Feier des Tages, erzählen mir meine Eltern am Telefon, dass das Essen heute Abend auf sie ginge und ich dieses Mal aber richtig zuschlagen solle, nicht so wie auf der MS Manfred in Sassnitz. Alles klar, das mache ich! Ganz genüsslich lasse ich mir meine Scholle schmecken und trinke dazu entspannt, Bier vom Fass, dunkles Hefeweizen und helles Hefeweizen. An diesem Abend habe ich auf alles Lust. Nach dem Essen, gibt es dann noch einen Fischergeist und später auch noch einen zweiten, denn auf einem Bein steht es sich bekanntlich schwer. Während ich dort so sitze und alles revue passieren lasse, zieht es mich innerlich schon wieder Richtung Hafen und so kann ich nicht anders, als nach dem Essen wieder hinunter zu laufen.


Ich setzte mich auf eine Bank, schaue mir den Sonnenuntergang an und beobachte wie das Leuchtfeuer des Leuchtturmes am Kap Arkona immer heller wird, desto mehr sich die Nacht über die Ostsee legt. Dieses Ritual, werde ich den restlichen Urlaub in Lohme so beibehalten. Ich kann entspannt aufs Meer schauen und den Moment genießen in dem Wissen, morgen nicht 30km zu laufen, irgendwo ankommen zu müssen, alles zusammenpacken und abends wieder auszupacken. Ich bin jetzt da, und auch wenn es nur für 3 Tage ist, ich habe es jetzt geschafft. Chillen, Urlaubsfeeling, entspanntes Bierchen, Erholung, Ostsee! Die nächsten Tage werden auch nicht nur Gammeln und Chillen pur, zu groß sind die Hummeln in meinem Hintern. Am nächsten Tag leihe ich mir ein E-Bike aus und fahre nach Glowe zu einem Geldautomaten, nur um erst in jenem Ort festzustellen, dass man ja den Akku zuschalten kann, um einem beim Fahren zu unterstützen. Ein E-Bike halt. Ich lasse diese Aktion eines Mannes mal unkommentiert, der eine abgeschlossene Berufsausbildung als Elektro-Fachkraft besitzt.

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(Stolz wie Bolle, aber auch knülle, nach meiner Ankunft in Lohme)


Am 3. Tag ging es dann mit dem Bus zum Kap Arkona und seiner beiden Leuchttürme. Als ich ich abends das Leuchtfeuer sah, konnte ich einfach nicht anders und musste, mal wieder, zum Kap Arkona, dem nördlichsten Punkt Ostdeutschlandes. Dieser Ort übt einfach eine eigene Faszination aus, obwohl ich ehrlich gesagt gar nicht genau sagen kann warum. Ist einfach schön da. Und jeden Tag gehe ich Abends essen!

Natürlich ist der Urlaub, genauso wie meine Wanderung, viel zu schnell vorüber. Am 4. Tag geht es bei, jetzt bestem Wetter, zurück durch den Nationalpark Jasmund nach Sassnitz und von dort aus mit dem Zug, erst bis nach Stralsund und dann zurück nach Berlin, wo mich mein Bruder (im Geiste) vom Bahnhof Gesundbrunnen abholt. Das war auf jeden Fall nicht meine letzte Wanderung! Die Frage lautet jetzt nur: Wo geht es als nächstes hin? Und was bleibt?


 
 
 

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