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Etappe 6 Doch nicht auf Alles vorbereitet

  • Autorenbild: PH16
    PH16
  • 1. Jan. 2021
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Jan. 2021

Neubrandenburg, Mittwoch der 19.8.2020, 9:30 Uhr. Ich sitze in der Innenstadt und frühstücke. Ich habe jetzt 2 Optionen. Nummer 1, ich verlasse Neubrandenburg in Richtung Norden, am Flughafen Trollenhagen vorbei, an Feldern und über kleinere Landstraßen oder Nummer 2, in Richtung Osten, den ganzen Tag entlang der Datze (Fluss) und über komplett freies Gelände. Ich muss dazu sagen das Option 2, rund 3km kürzer war, womit auch klar sein dürfte, für welche Strecke ich mich entschied. Ich verlasse also die wirklich schöne Innenstadt Richtung Osten, durch einen der zahlreichen kleinen Torbögen der Stadtmauern und bin bald vollkommen umgeben, von Plattenbauten soweit das Auge reicht. Hellersdorf und Marzahn wären mit Sicherheit stolz!


Mein heutiges Ziel lautet Friedland. Eine kleine Kreisstadt im Osten der Mecklenburgischen Seenplatte, in der ich schon häufiger mal gearbeitet habe.

Bereits auf den ersten Kilometern spüre ich, was es für eine Erleichterung ist, das Zelt zurück nach Berlin geschickt zu haben. ich fliege förmlich entlang des kleinen Flusses Datze, der mich bis ins Stadtzentrum von Friedland begleiten wird. Immer wieder sind am Himmel laute Geräusche und ein für Düsenjets typisches Dröhnen zu hören, hier in diesem Raum werden oft Flugmanöver von der in Rostock stationierten Bundeswehr ausgeführt. Unter anderem auch eine Staffel der Tornado-Jets, die seit dem ich ein Kind war schon immer einen besonderen Stellenwert für mich hatten. Doch leider ist es zu bewölkt, um etwas am Himmel zu erkennen. Das veranlasst mich im Handy, nach dem Wetter für den heutigen Tag zu schauen und das sieht gar nicht gut aus... Gewitter, den ganzen Mittag... War natürlich klar, dass wenn ich mich für die Strecke entlang der Aue der Datze entscheide, bei der ich den ganzen Tag lang der höchste Punkt in der Umgebung bin, das es zu Unwettern kommen soll.



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( bis auf einzelne Baumreihen, sah so die gesamte Strecke des heutigen Tages aus)


Was soll ich sagen, es dauert keine 30 Minuten, da baut sich vor mir eine massive Gewitterfront auf. Mal wieder Stelle ich mir die Frage: "Was machst'n jetzt, wenn das wirklich anfängt zu blitzen? Legste dich auf den Boden? Rennste weg?" Klingt lustig, aber versetzt euch mal in die Lage. Selbst wenn man falscher Weise vor hätte, unter einem Baum Schutz zu suchen, ist ja kaum einer da, um sich unterzustellen. also geht es wohl oder übel weiter Richtung Grummeln und Blitzen. Jeden Tag, hat man neue Herausforderungen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Zu Hause, wenn die Idee entsteht, du dann anfängst zu planen, denkst du dir nur, das man schön entspannt zur Ostsee läuft und das anstrengendste, die Planung und Organisation sind, inklusive Unterkünfte und Hotels buchen. Das auf dem Weg so viele Kleinigkeiten und Gegebenheiten gemeistert werden müssen, ist dir wahrscheinlich erst klar, wenn du so etwas schon öfter Mal erlebt hast.



Irgendwann bemerke ich allerdings zu meiner Begeisterung, dass wenigstens die Blitze, immer mehr in Richtung Süden abdriften, was mich dazu bewegt etwas Tempo herauszunehmen und wieder mehr auf die tolle Natur um mich herum zu achten. Links und rechts des kleinen Flusses stehen schon jetzt im August hunderte von Kranichen herum und überall in weiter Ferne, ist ihr bekanntes Geschrei zu hören. Selbst der seltene Silberreier ist hier ziemlich oft vertreten.

Bald darauf, ist in der Ferne eine Lange Brücke zu erkennen. Die letzte zu überquerende Autobahn auf meinem Weg, die A20. Ich sehe von unterhalb der Brücke ein großes Autobahnschild auf dem Stralsund mit ''nur noch'' 90km ausgeschildert ist. Ich bin mir dabei aber vollkommen unschlüssig, ob das nun gut oder schlecht ist. Ganz schönes Stücke noch! Aber das kann man auch über den Weg sagen, den ich bereits zurückgelegt habe. Kurz danach mache ich, auf einer Brücke über den Fluss, unweit eines perfekt gebauten Biberdamms eine Stullenpause. Ich lasse mir dabei bewusst Zeit, denn das Gewitter ist ja ohne den Hauch eines Tropfen Regens vorbeigezogen.


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Ich bin auf meiner Reise auf alles vorbereitet. Ich habe Klopapier bei, Ohrenstöpsel für die Nacht, das berühmte Taschenmesser, das im Wald bei Lychen seine Wichtigkeit unterstrich, aber auf eines bin ich nicht vorbereitet... Dauerregen! 2-3km vor dem Dorf Sadelkow, geht es los. Anfangs noch mit bester Laune und weit ausgestreckten Armen durch den Regen laufend, kotze ich dann doch nach relativ kurzer Zeit ganz schön ab. Meine Regenjacke ist gerade mit meinem Zelt auf dem Weg zurück nach Berlin, also muss ich da jetzt durch! Gesagt, getan. Mein Rucksack (wird durch das zugehörige Regencape geschützt), ist das Einzige, was an mir nicht vollkommen durchnässt wird.

2 Stunden geht das so. Ohne Bäume um Schutz zu suchen und ohne Häuser oder anderer Bauwerke, zum Unterstellen.


Nachdem es endlich aufhört zu regnen, komme ich wieder mal zu einer Brücke über den Fluss. Hier geht es nun links entlang des Flusses weiter, aber auch rechts. Ich denke gar nicht groß drüber nach und entscheide mich für den linken ''Weg''. 20 Minuten später, entdecke ich auf der anderen Flussseite, eine Frau mit 3 riesigen Hunden. Ich nicke ihr nett zu und bemerke, wie sie mich doch schon relativ eindeutig, über die 10m hinweg über den Fluss anstarrt. ''Moin. Du woisst aber schon, das dass da hinden nich meer weider geit, ne?'' ''Da kommt nur noch n Agger, auf dem die Kühe rumsteen''.

Leider hatte ich irgendwie so etwas befürchtet, denn ich lief die letzten 5 Minuten schon, nur noch durch tiefes, nasses Gras, auf dem absolut nichts mehr an einen Weg erinnerte. Ich bedanke mich bei ihr für ihren netten Hinweis, verweise aber darauf, dass ich jetzt schon zu weit auf der falschen Seite gelaufen bin, um wieder umzukehren und das ich einfach mal mein Glück probieren werde. ''Wo willst denn überhaupt hin, Jung?'' fragt sie, und ist vollkommen perplex, als ich ihr Friedland als Antwort gebe. ''Wat willste denn daa? Da is doch nix los!'' Ist eine vollkommen richtige Aussage, aber es ist ja auch nur eine Zwischenstation, auf dem Weg zur Ostsee. Aber bei solch klassischen norddeutschen Menschen, kannst du dir zumindest ein Lächeln oder ein Lachen einfach nicht verkneifen. Gerade heraus, ehrlich, wenn auch nicht immer angebracht, aber herzensgut und mit ganz ganz flachem Humor ausgestattet. Davon werden mir noch viele begegnen!


Zurück zu dem, von ihr erwähnten Kuh-Acker. Nach weiteren 20 Minuten und durch den nassen, hohen Rasen immer nasser werdenden Füßen stehe ich bald vor einem Elektrozaun, hinter dem allerdings zu meiner Freude keine Kühe stehen. Schnellstmöglich durchquere ich die ca. 1 km lange Weide. An einer Brücke angekommen, muss ich erstmal meine Füße und sämtliche Klamotten lüften. Vom verschrumpelten-Grad meines Körpers, komme ich zu diesem Zeitpunkt, nach dem Dauerregen, einer Wasserleiche schon erschreckend nahe.

Glücklicher Weise kommt kurz danach die Sonne raus und bleibt den Rest des Tages mein Begleiter.


Bis nach Friedland sind es jetzt nur noch ein paar Kilometer. Nun, kurz vor dem Ziel und mit Sonnenschein im Rücken, wird einem aufgrund der Euphorie, es gleich geschafft zu haben, wieder bewusst, durch welch schöne Landschaften man dort streift.

Den ganzen Tag entlang eines verschlafenen kleinen Flusses, begleitet von einer bemerkenswerten Vogelwelt und umrahmt von grünen und satten Wiesen so weit das Auge reicht. Hinzu kommen noch so gewaltige Käfer und Fluginsekten, das du Ihnen ausweichen musst, um keine Platzwunde zu riskieren..! Wieder mal alles in allem, wunderschön!


In Friedland angekommen geht es Richtung Stadtzentrum zum Hotel Vredeland und anschließend wird die Stadt erkundet. In dem Wissen, dass am Abend Bayern im Championsleague-Halbfinale spielt, bin ich mal wieder auf der Suche nach einer Kneipe die Fußball überträgt. Doch das Einzige was ich finde, ist ein Dönermann der schon um 19:30 Uhr schließt. Ich sage euch in Friedland ist wirklich nichts los. In Berliner Randbezirken, beschwert man sich über Supermärkte die schon um 21 Uhr schließen... in Friedland allerdings ist um 20:00 Uhr nicht mal mehr Licht in dem Wohnhäusern rund um den Marktplatz zu sehen. Das ist auch Gesprächsthema Nummer 1, beim abendlichen Telefon-Lebenszeichen bei meinen Eltern.


Abends sitze ich dann im Hotel-Foyer auf der Treppe Richtung Keller, da ich in meinem Hotelzimmer zu weit weg vom W-LAN bin. All die Monteure, die sich zum Arbeiten unter der Woche dort eingemietet haben und mich auf der Treppe sitzend fanden, hatten allerdings größtes Verständnis, als ich ihnen sagte, dass ich das nur tue um ruckelfrei Championsleague gucken zu können. Zum Bier lud mich allerdings dennoch keiner ein!

Später am Abend, vollkommen fertig im Bett, lasse ich den Tag dann nochmal Revue passieren. Und eine wichtige Kenntnis bleibt. Wenn ich wieder durch so einen Regen laufen muss, muss ich besser vorbereitet sein! Eine leichte aber effektive Lösung muss her.

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(Die Autobahnbrücke der A20, über das für diesen Tag typische Flachland)


 
 
 

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