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Etappe 7 Aufkommendes Bewusstsein

  • Autorenbild: PH16
    PH16
  • 31. Dez. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Jan. 2021

Der Morgen des 20.8.2020 in Friedland, beginnt etwas hektisch. Ich schaffe es beim besten Willen nicht, mich von meinem Hotelbett zu trennen und komme deswegen etwas später als geplant, unten beim Frühstück an. Also kurz ein paar Brötchen reingefuttert und los ging es schon wieder, in Richtung Anklam. Eines der wichtigsten Ziele auf meiner Reise, denn als Kind war Anklam immer die letzte Stadt auf dem Festland, bevor es rüber ging nach Usedom, zum Urlaub machen und Ostsee plantschen. Allein schon jetzt auf einem Straßenschild zu lesen, das es nur noch 25km bis dahin sind, lässt das Kribbeln in mir größer werden und die Vorfreude auf die nächsten Tage enorm steigen. Also verlasse ich, wie sollte es anders sein, Friedland in Richtung Norden, durch das Anklamer Tor. Die 25km auf dem Schild mögen schön und gut erscheinen, allerdings gilt das nur für Autofahrer, die den direkten Weg über die Bundesstraße bis dahin fahren. Für mich bedeutet das heute ein ständiges Zick Zack, immer wieder über die B 197. Denn nur die ersten 4km von Friedland bis zum Dorf Kavelpass entlang dieser Straße, sind mit einem Geh- bzw. Fahrradweg ausgestattet.

Entlang solch einer Hauptverkehrsader mit vielen LWK's, Bussen und Landwirtschaftsfahrzeugen, halte ich lieber Abstand und laufe einen Umweg. Das Risiko, dass da irgendetwas passiert, sei es auf meine Kosten oder auf die anderer Autofahrer, ist mir zu groß und bringt auch keinen Spaß.

Also geht's ab Kavelpass übers Feld.


Wieder höre ich am Himmel vereinzelte Düsenjetgeräusche, doch es ist einfach nirgendwo auch nur ein Flugzeug zu sehen!

Völlig in Gedanken, folge ich meinem Weg weiter Richtung Boldekow, als mich ein ohrenbetäubender Lärm links von mir zusammenschrecken lässt! Ich sehe in jene Richtung, in der Erwartung eines unmittelbar vor mir stehenden Mähdreschers oder Ähnlichem, aber ich sehe nichts in der Nähe... erst dann sehe ich was diesen unfassbaren Lärm verursacht!

Ein Tornado! Ein unfassbar beeindruckender, respekteinflößender, wunderschöner Düsenjet fliegt im Tiefflug fast genau über mich hinweg. Ich stehe völlig fassungslos mit offenem Mund da. Das glaubt mir doch kein Mensch! Ein Flugzeug das ich schon als Kind mit meinem Vater in Schönefeld auf der Internationalen Flugausstellung bestaunt habe, fliegt hier höchstens 100m über mich hinweg und macht einen Krach, den ich nicht mal beschreiben kann. Einfach Ohrenbetäubend. Ich bin so baff, dass ich meinen Vater anrufen muss, um ihm davon zu erzählen. Selbst jetzt im Nachhinein, fehlen mir zu dieser Situation immer noch die Worte. Und der Tag hatte gerade erst begonnen.


Bald danach, komme ich in Boldekow an (erneut an der B197) und kurz darauf, geht es endlich mal wieder in ein kleines Waldgebiet. Diese sind im Vergleich zu Brandenburg, echt selten geworden auf meiner Tour.

Ich durchquere also den Wald und wundere mich irgendwann, warum Hundespuren von links aus dem Wald, über ein kleines Feld rechts vom Weg, in ein Waldstück dahinter führen. Die brennende Frage die mich jetzt beschäftigt ist, wo sind die Spuren vom Herrchen dazu? Keine Fußspuren, Reifenspuren oder sonst was. Nur Spuren im Sand, von Dauerregen und der Wassermassen des Vortages.

Kann eigentlich nur eines bedeuten... und nachdem ich, den ''Unterschied zwischen Hunde- und Wolfspuren'' google, ist es dann auch wirklich unheimliche Gewissheit. Das sind Wolfsspuren! Bei weiteren Internetrecherchen, finde ich dann auch Berichte, dass es schon häufiger rund um Friedland Probleme mit Landwirten und Wolfsattacken auf Nutztiere gab. Zeit einen Zahn zuzulegen, um zumindest wieder auf freies Feld zu kommen, heißt es damit für mich. Finde Wölfe zwar ziemlich cool, aber auf eine Konfrontation in freier Wildbahn verzichte ich dann doch liebend gerne.


Entlang des Peene-Süd-Kanals, parallel zu einem Maisfeld und immer noch vereinzelten Wolfsspuren, geht es dann weiter nach Sarnow. der unspektakuläre Ort ist bald hinter mir gelassen und vor mir eröffnen sich ein paar traumhafte Feldwege verschiedenster Arten. Highlight ist ein Wiesenweg, links und rechts flankiert von großen Hecken, Findlingen und Birken.

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Wieder einmal, befinde ich mich im absoluten Nichts und genau das, ist es was ich so schön finde. Auf einem großen Findling, mache ich Pause und genieße den Moment. Ich buche mir in der Zeit schnell noch ein Hotelzimmer in Anklam, denn der ursprüngliche Plan war, dort auf einem Zeltplatz für Wassersportler zu übernachten, ist aus bekannten Gründen jetzt nicht mehr umsetzbar. Des Weiteren behandle ich meine immer größer werdenden Blasen, die sich nach wie vor ausschließlich am rechten Fuß befinden. Sie werden immer mehr zum Problem, doch mehr als Blasenpflaster aufbringen, mehrmals täglich die Wandersocken wechseln und einbalsamieren, kann ich leider auch nicht. Zähne zusammenbeißen!

Nach einer weiteren Stunde, dann mal wieder eine Straße und ein paar Autos, ich bin wieder an der B197 angekommen. Auf der rechten Seite taucht dann wenig später ein kristallklarer Kiessee auf, welcher anscheinend der Place to be für die Dorfjugend aus dem weiteren Kreis zu sein scheint. Überall stehen ''aufgemotzte'' 4er Golf's, Opel Corsa's und Audi A3's herum.


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Ab hier, geht es jetzt wieder auf einem Gehweg, entlang der Bundesstraße weiter. Nicht schön, aber Asphalt ist mal eine willkommene Abwechslung zu Schlamm, Sand und Wiese.

Kurz vor Pelsin, muss ich wieder Pause machen, meine Blasen bringen mich um. Ich finde Schutz in einer massiven Bushaltestellen-Muschel, und lege auf der dortigen Bank, erstmal einen ausgedehnten Mittagsschlaf hin. Schon jetzt bin ich an diesem Tag über 23km gelaufen und es sollten noch 9km allein bis zum Hotel folgen.

Ich rappel mich wieder auf und erreiche eine Stunde später den Otto-Lilienthal Flugplatz von Anklam. Gefühlt jedes 3. Bauwerk in Anklam ist nach ihm benannt, denn die Stadt ist mehr als stolz auf Ihren dort geborenen Flugpionier, der als erster Mensch überhaupt, Gleitflüge mit einem Flugapparat zustande brachte. Krasser Typ!


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Kurz danach, stoße ich dann auf ein großes Straßenschild, auf dem Orte ausgeschildert sind, die mir bewusst werden lassen, wie weit ich es schon geschafft habe! Pasewalk, Demmin, Greifswald, Insel Usedom. Alles sehr weit weg von zu Hause! 7 Tage durchgelaufen, und jetzt stehe ich vor den Toren Anklams... Nicht mehr weit bis nach Usedom, nicht mehr weit bis zur Greifswalder Oie, und auch das Ziel Rügen wird langsam aber sicher greifbarer. Knapp 220km habe ich jetzt schon in den Beinen und ich bin noch lange nicht fertig! Klar meine Füße machen mir zu schaffen, aber mein Körper und Geist sind bereit, für das was da noch kommt!

Mit dieser Motivation geht's hinein nach Anklam, der Partnerstadt von Ustka in Polen und Limbazi in Lettland, um nur einige der Weltstädte zu nennen, mit denen dieser Ort kooperiert. Wow! Beeindruckend!


Nachdem ich meine schon wieder vollkommen blanken Blasenpflastervorräte aufgefüllt und im Hotel eingecheckt habe, geht es auf in die Innenstadt. Anklam ist nicht der große Hingucker mit vielen Touristenattraktionen, aber am Ufer der Peene mit 2 alkoholfreien Bieren und dem Sonnenuntergang in der Ferne, lässt es sich wirklich hervorragend auskommen. Ein schon wieder sehr ereignisreicher Tag, neigt sich dem Ende und ich kann Tag 8 schon wieder kaum erwarten. Jetzt bin ich im Flow, jetzt hält mich nichts mehr auf.

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(Sonnenuntergang an der Peene, Anklam)


 
 
 

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